Vor 790 Jahren: Schicksalsstunde für den Norden

Von Volker Zierke

Jeder kennt die großen Schlachten, durch die sich der Verlauf der Geschichte entscheidend geändert hat. Die Kämpfer an den Thermopylen 480 v. Chr., bei Tours und Poitiers 732 und vor Wien 1683, sie alle eint der unerbittliche Drang, das Eigene zu verteidigen und sich eine selbstbestimmte Existenz zu sichern. Weniger bekannt, aber nichtsdestotrotz wichtig für das Schleswig-Holsteinische Selbstverständnis und die norddeutsche Identität, ist ein Ereignis, das am 22. Juli 1227, nahe dem Ort Bornhöved im Kreis Segeberg, stattfand. Vor 790 Jahren trafen hier zwei Streitmächte aufeinander: Auf der einen Seite standen die Dänen unter ihrem König Waldemar II. mit zahlreichen Verbündeten, auf der anderen eine norddeutsche Koalition unter Führung des Grafen von Lauenburg, Adolf IV.

Um die Dimension dieses Gefechts und seiner Auswirkung zu verstehen, muß man sich mit der Vorgeschichte beschäftigen.

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hatte sich der Einfluß Dänemarks im Ostseeraum so weit ausgebreitet, daß es regional als Großmacht betrachtet werden mußte. Die Eroberungszüge reichten im Süden bis an die Elbe, und auch die Fürsten von Pommern und Mecklenburg mußten sich den dänischen Königen unterwerfen. Beunruhigt durch den erheblichen Machtzuwachs der Dänen schlossen sich zahlreiche norddeutsche Fürsten zu einem Bündnis zusammen. Bereits Adolf III. hatte schon gegen die Dänen gekämpft und dabei seine Grafschaft Holstein an sie verloren. Unterstützt von Heinrich von Schwerin, Erzbischof Gerhard von Bremen und der Stadt Lübeck bereitete sein Sohn, Adolf IV., einen Kriegszug gegen die Dänen vor. Zudem gelang es dem Bündnis, den Herzog von Sachsen für ihre Sache zu gewinnen. Für die norddeutschen Adeligen war der dänische Herrscher zu mächtig geworden.

Der Rest ist – wie man sagt – Geschichte: Am 22. Juli 1227 kam es bei Bornhöved zum Gefecht. Am Ende stand die Koalition um Adolf IV. als Sieger auf dem Schlachtfeld, während Waldemar II. verwundet fliehen mußte. Die dänische Streitmacht war zerschlagen, viele Kämpfer verwundet, tot oder gefangengenommen. Im Folgenden mußte Waldemar Holstein an Adolf abtreten; Lübeck, Schwerin und Hamburg waren ebenso frei von der dänischen Herrschaft. Mit der Ausnahme von Rügen verlor der dänische König sämtliche Besitzungen an der südlichen Ostseeküste, sein Reich endet ab 1227 an der Eider. Bis ins 19. Jahrhundert sollte dies so bleiben.

Mit der Schlacht von Bornhöved änderte sich der Verlauf der Geschichte im Ostseeraum entscheidend: Der dänischen Expansion wurde eine dauerhafte Absage erteilt. Erst somit war gewährleistet, daß sich über die folgenden Jahre und Jahrhunderte eine deutsche Identität entwickeln konnte. Hätte Waldemar nach der Schlacht als Sieger auf dem Feld gestanden, so wären heute Kiel und Lübeck vielleicht ganz selbstverständlich Teil Dänemarks.
Noch ein anderer Aspekt ist es wert, erwähnt zu werden: Obwohl Holstein Teil des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation war, kam kein Reichsheer den norddeutschen Fürsten zu Hilfe, als die Dänen auf dem Vormarsch waren. Eigenständig organisierte die Allianz um den lauenburg-holsteinischen Grafen Adolf IV. den Widerstand. Für das Selbstverständnis ist dies von nicht zu unterschätzendem Wert: Durch das Nichteingreifen des Deutschen Kaisers wurde die Eigenständigkeit des Nordens besonders betont. Noch heute sind in kaum einem anderen Bundesland Deutschlands – mit der Ausnahme Bayerns vielleicht – die Landesfarben (blau, weiß, rot) so präsent wie in Schleswig-Holstein. Und das ist gut so: Das Land blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück, von der die Ereignisse im Sommer 1227 nur ein Teil sind.

Dennoch ist die Schlacht von Bornhöved ein wichtiger Beitrag zur norddeutscher Identitätsbildung. Gerade heute kann das, wofür die Fürsten auf dem Schlachtfeld eintraten – Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung – ideenstiftend für die heutige Zeit sein. Auch heute steht die deutsche Identität unter Beschuß, von Islamisten genauso wie von Multikultis und Globalisten. Uns wird eingeredet, kollektive Identitäten besäßen keinerlei Relevanz mehr; glauben tun das nur diejenigen, die nicht wissen, was das ist. Sich an den Kampf der Norddeutschen gegen die dänische Herrscher zu erinnern und ihn zu verstehen, kann ein wichtiger Teil der deutschen Identitätsbildung sein.

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