Verfassungsschutz als politischer Akteur

Laut Medienberichten wollen der Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium die Identitäre Bewegung in den kommenden Berichten als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufen. Damit verabschiedet sich die Behörde von einer früheren Linie und von der gerichtlich (per einstweiliger Verfügung) eingeforderten Selbstverpflichtung, die Identitäre Bewegung nur als Verdachtsfall zu führen. Der neue Behördenleiter Thomas Haldenwang begründet diesen Schritt mit einer vermeintlichen „Radikalisierungsspirale“, die die Gesellschaft spalte.

Im Grundgesetz gilt die Meinungsfreiheit und daraus abgeleitet auch das Benachteiligungsverbot verschiedener politischer Akteure bei der öffentlichen Willensbildung. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist immer ein Eingriff in dieses Grundrecht und darf daher nur dann erfolgen, wenn Akteure in „aggressiv-kämpferischer“ Form auf die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielen. Das Grundgesetz schützt daher im Zweifel auch radikale Positionen. Eine gute Erläuterung dieses Umstands findet sich in einem aktuellen Beitrag auf dem Blog „Sezession im Netz“ von Benedikt Kaiser.

Aktuell geht die Identitäre Bewegung in zwei Verfahren gegen den VS vor. Ein Verfahren begann bereits 2017, welches sich gegen die Verdachtsfallberichterstattung in den VS-Berichten richtet. Hierzu gibt es im Hauptsacheverfahren immer noch keine abschließende Entscheidung. Der VS begründete seine Einstufung mit einem Satzbaukasten, der unmittelbar von einem linksextremen Rechercheprojekt stammen könnte. Grundlegend gilt es in allen Verfahren drei Fragestellungen zu klären:

  1. Gibt es ein ethnokulturell definiertes deutsches Volk und ist dieses Träger von eigenen Rechten? Und darf der Erhalt jener eigenen ethnokulturellen Identität eine politische Zielsetzung sein? Darf man darüber hinaus Problemstellungen und Fragen ansprechen zu Integration, Assimilation, Einwanderung, ethnischer Identität und kulturellen Bruchstellen innerhalb der Gesellschaft, die durch ein multikulturelles Experiment herbeigeführt werden?
  2. Darf man in Deutschland eine eigene positive historische Identität definieren, die nicht nur ausschließlich mit Schuld aufgeladen ist, ohne dabei die Schattenseiten zu verleugnen?
  3. Darf man in Deutschland die Regierung und ihre Vertreter kritisieren und dabei auch ihre zunehmende Verflechtung mit Medien und anderen linken Akteuren ansprechen? (Der Verfassungsschutz sagt „nein“ und hat jene Aktion aus dem Jahr 2019 als Indiz für eine Verfassungsfeindlichkeit der IB eingeordnet.)

Wenig überraschend verneinen Haldenwang und seine Behörde alle drei Fragen. Mit der weiteren Beobachtung von Akteuren im patriotischen Vorfeld wie dem Flügel, der Jungen Alternative und dem Institut für Staatspolitik ist einmal mehr deutlich geworden, dass diese Behörde ihre eigenen gesetzlich vorgeschriebenen Standards verletzt. Nicht der Schutz der Grundrechte steht an erster Stelle, sondern die Zerschlagung und Zersetzung kritischer und nonkonformer politischer Mitspieler, die Widerspruch gegen die ideologische Mission eines linksliberalen Zeitgeistes anmelden.

Das zweite Verfahren richtet sich gegen die zwei Jahre später erfolgte Hochstufung als „gesichert rechtsextremistisch“. Angesichts des Lübcke-Mordes in Kassel hatte das Innenministerium unter Horst Seehofer bereits angekündigt, den Repressionsdruck gegen rechts zu erhöhen. Auch hier wurde also deutlich, dass es nicht um tatsächliche Anhaltspunkte, Einordnungen oder gesetzliche Bestimmungen geht, sondern darum, junge und engagierte Patrioten durch völlig andere Ereignisse unter einen Generalverdacht zu stellen.

Was jetzt beachtet werden muss

Wir haben es beim Verfassungsschutz nicht mehr mit einer neutralen Behörde zu tun, die strenge rechtliche Vorgaben für ihr Handeln hat, sondern mit einem politischen Akteur, der sich selbst zu weitreichenden Eingriffsbefugnissen nach ideologischen und interessenpolitischen Gesichtspunkten ermächtigt. Deswegen muss der VS in Zukunft als ein politischer Akteur wie jeder andere betrachtet werden – wie eine Partei oder zivilgesellschaftliche Organisation, die bestimmte Interessen und politische Ziele verfolgt. Die Urteile und Einschätzungen von Haldenwang und Co. unterliegen einer willkürlichen Logik. Die Presseerklärungen und öffentlichen Statements sind Agitationsshows und keine neutrale Aufklärung. Dies sollten spätestens ab jetzt alle patriotischen und nonkonformen Akteure im Hinterkopf behalten.

 

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