Pressespiegel Protest vor dem Justizministerium

von Volker Zierke

Freitag, 19. Mai 2017, Mohrenstraße in Berlin: Trotz eines wolkenfreien Himmels und Sonnenschein braut sich ein Sturm zusammen. Vertraut man auf die Mainstream-Medien, wird die Straße zum Schauplatz eines kinoreifen Dramas: „,Identitäre’ wollten Ministerium stürmen“, wird es weniger später in der „Tagesschau“ heißen. [1] In Ermanglung anderer passender Begriffe weiß auch die „Bild“ von einem „rechten Ansturm auf Justizministerium“ zu berichten, inklusive der Behauptung, der „Angriff“ hätte dem Justizminister Heiko Maas persönlich gegolten. [2] Millionen Leser atmen auf, als die „Welt“ bekanntgibt: „Heiko Maas (SPD) befand sich zu keinem Zeitpunkt in Gefahr.“ [3]

Bislang hat sich die Identitäre Bewegung die Gewaltlosigkeit auf die Fahnen geschrieben. Haben die „Neo-Rechten“ [4] nun ihre Taktik geändert und gehen jetzt gewaltsam in die Offensive?

Betrachtet man die Fotos oder sieht sich die zahlreichen Videos von der Aktion an, ergibt sich ein anderes Bild: Etwa 50 Aktivisten versammelten sich an dem Tag, an dem Maas das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in den Bundestag einbrachte, vor dem verantwortlichen Ministerium, um auf die zunehmende Zensur und Beschneidung der Meinungsfreiheit aufmerksam zu machen. Statt Mistgabeln führten die Aktivisten große Banner mit sich, die die Aussage auf den Punkt brachten: „Zensur-Ministerium“ heißt es auf dem einen, das andere zeigt das Wappen der DDR-Staatssicherheit neben dem Spruch „Alles schon vergessen?“. Einige der Demonstranten tragen Stasi-Uniformen, andere schwenken DDR-Flaggen. Über die Straße hallen die Lobeshymnen im besten Realsozialismus-Duktus, gesprochen von Alex Malenki, einem Aktivisten aus Leipzig und einer der beiden Köpfe hinter dem identitären Youtube-Format „Laut Gedacht“. Wie zur Bestätigung eilen Polizisten herbei und bringen den angeblichen „Versammlungsleiter“ zu Boden und führen ihn ab.

 

Vom Sturm zur Sitzblockade

Der Rest der Gruppe weicht indes nicht vom Fleck: Bevor Polizei-Verstärkung angerückt ist und geordnet mit der Auflösung der Blockade begonnen wird, vergeht über eine Stunde. Nachdem das Gleichgewicht zwischen „rechten Chaoten“ und „spontanem Gegenprotest“ [5] hergestellt ist, traut sich auch der Minister selbst auf das herbeigeschriebene Schlachtfeld: Vermutlich in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit nun doch für sich nutzen zu können und vielleicht noch eine Schlagzeile wie „Minister stiehlt Rechtsextremen die Show“ generieren zu können, begibt sich Maas zu den Gegendemonstranten auf der anderen Straßenseite, die sich dort mit selbstgekritzelten Transparenten versammelt haben. „No borders, no nation, no deportation“ heißt es da – Heiko Maas’ Genossen im Geiste also. Mit einem gekünstelten Lächeln und Wasserflaschen im Gepäck überquert der Justizminister die Straße, um die Antifaschisten mit Wasser zu versorgen. Doch statt Lobeshymnen hallen ihm Sprüche wie „Du und die Nazis gehören zusammen!“ entgegen. Einige wollen die Wasserflaschen nicht annehmen, andere wenden sich ab. Immer noch mit einem, zugegeben versteinerten, Grinsen im Gesicht dreht der Minister bei. Um doch noch ein Erfolgserlebnis einzuheimsen, will der aalglatte Anzugträger wenigstens noch den Verursachern des „Sturms“ ein paar Weisheiten mit auf den Weg geben. Mit den Maas-muß-weg-Rufen bricht dann auch die coole Fassade des Ministers zusammen: Mit deutlichen Gesten versucht Maas klarzumachen, was er von den identitären Aktivisten hält, bis ein Polizist den sichtlich erregten Politiker zum Gehen auffordert. Später wird Maas’ Ministerium ein peinliches Statement auf Twitter veröffentlichen, in der sich die Behörde als Opfer stilisiert, das sich „von denen“ nicht unterkriegen lasse.

 

Dreiste Medienlügen

Auffällig ist das Schema, nach denen Journalisten und Redakteure vorgehen, wenn sie über die Aktion der Identitären Bewegung berichten. Die überwiegende Mehrheit der Medienlandschaft entschloß sich – wie bereits angedeutet – dazu, die Aktion als versuchten Staatsstreich darzustellen. Davon zeugt nicht nur der oben erwähnte „Welt“-Artikel, obschon dieser mit seiner Ambivalenz hervorsticht. Zu Beginn redet der Autor den Sturm des Justizministeriums herbei, später zitiert er den Einsatzleiter der Polizei: „Es ging sehr turbulent zu“.  Vermutlich wählten königliche Ratgeber ähnliche Worte bei der Erstürmung der Bastille als Auftakt zur Französischen Revolution. Dem aufmerksamen Beobachter fällt also schon beim Abgleich von Bildern und Zitaten von direkt Beteiligten mit der Hofberichterstattung auf, dass hier ein offensichtlicher Widerspruch vorliegt. Trotzdem können die System-Schreiber nicht aus ihrer Haut: Vergleicht man die zahlreichen Eilmeldungen und Schlagzeilen miteinander, so bekommt man den Eindruck, dass die Autoren lediglich voneinander abschreiben und alles nur geringfügig verändern; gerade so, dass es nicht auffällt. Einige machen sich gar nicht erst die Mühe, sondern übernehmen einfach die DPA-Meldung, die wunderbar ins gängige Narrativ passt: „Rechtsradikale wollen ins Justizministerium eindringen“ [6], heißt es da. Einerseits werden mit dem Begriff „Rechtsradikale“ sofort Assoziationen mit gewaltbereiten Skinheads in Springerstiefeln und mit Baseballschlägern geweckt, andererseits impliziert die Wortwahl „eindringen“ geradezu, dass hier versucht wurde, sich gewaltsam Zutritt zum Gebäude zu verschaffen, um dann womöglich dem Minister selbst an die Gurgel zu gehen. Beide Behauptungen halten so lange, wie man einen bloßen Text vor sich hat. Beim Betrachten von Filmmaterial wird schnell deutlich, dass hier weder stumpfe „Rechtsextreme“ [7] am Werk waren, noch dass jemals geplant war, in das Gebäude einzudringen oder Gewalt dabei anzuwenden.

 

Kein Widerstand von den Medien

Ins Grübeln muß der aufmerksame Leser aber kommen, wenn der Hau-drauf-Journalismus solch groteske Ausmaße annimmt wie bei Maas’ Zensurgesetz. Dass die Meinungsfreiheit nicht Schritt für Schritt ausgehöhlt werden darf, sollte im ureigenen Interesse aller freien Medien liegen. Fatalerweise ist die Identitäre Bewegung bislang die einzige Gruppe, die in der Lage war, gegen das NetzDG in derartiger Form zu protestieren. Diese Kritik an einem Vorhaben, wie es auch bei Erdogan auf der Agenda stehen könnte, wird augenblicklich hinweggewischt: So befindet die linke Zeitung „Neues Deutschland“, dass geplante NetzDG sei lediglich dazu da, „Hate speech konsequenter zu entfernen“. [8] Übertroffen wird dies lediglich vom „Tagesspiegel“. Der Autor ist nicht in der Lage, das tatsächliche Ziel und die Intention der identitären Aktion zu erkennen. „Hintergrund der Aktion von Rechts scheint sein [Heiko Maas’ – Anm. d. Autors] Buch ‚Aufstehen statt wegducken’ zu sein.“ [9] Solche Statements offenbaren die pure Ignoranz mancher Medien, die es in ihrer Vormachtstellung nicht für nötig halten, tatsächliche Inhalte zu behandeln und Hintergründe zu prüfen. Ihre Aktionen erklärt die Identitäre Bewegung übrigens immer auf ihrer Facebook-Seite. Richtig bedenklich wird es allerdings im darauffolgenden Absatz, in dem der „Tagesschau“-Schreiberling einen anwesenden Fotografen zitiert und damit die Marschrichtung für den Artikel ausgibt. So beklagt sich der betreffende Fotograf, dass die Identitären so ungehindert ihre Aktion durchziehen konnten. Von einem „kumpelhaften Umgang der Polizei mit den Nazis“ konnte der engagierte Antifaschist berichten. „Auch der Kameramann der IB (…) habe nicht einmal seine Speicherkarte abgeben müssen“, echauffiert man sich. Im offensichtlichen Unwissen, wie totalitär eine solche Auffassung ist, wünschen sich einige Redakteure offenbar, die Pressefreiheit wäre gleich ganz aufgehoben und freie Meinungsbildung geschähe nur innerhalb des eigenen Denkhorizonts. Man braucht nicht sonderlich fantasievoll zu sein, um sich das Wutgeheul vorzustellen, sollte die Polizei einmal die Kamera eines linken Fotografen konfiszieren.

 

Unrecht zu Recht

Letztendlich beweist ein solches Medienecho nur, wie dringend nötig Kritik an der vorherrschenden Politik und ihrer Medienunterstützung ist. Gesetzesentwürfe wie das NetzDG sind der Inbegriff dessen, was passiert, wenn eine Politikerkaste versucht, Kontrolle über die letzten freien Diskursräume einer Gesellschaft zu gewinnen. Zu keinem Zeitpunkt seit dem Untergang der DDR und ihres Stasi-Apparates waren die Worte Bertolt Brechts wahrer: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ Auch wenn es viele Medien noch nicht wahrhaben wollen: Der einzige zivile Widerstand gegen ein außer Kontrolle geratenes System ist die Identitäre Bewegung. Und das in einer Zeit, in der sogenannte Demokratie-Stiftungen und Menschenrechtsorganisationen Hochkonjunktur haben.

 

 

[1] https://www.tagesschau.de/inland/identitaere-justizministerium-101.html

[2] Screenshot Bild-Zeitung

[3] https://www.welt.de/politik/deutschland/article164737542/Dramatische-Szenen-als-50-Identitaere-das-Ministerium-stuermen-wollen.html

[4] s.o.

[5] http://www.focus.de/politik/videos/sie-wollten-mit-leiter-aufs-dach-rechte-chaoten-belagern-ministerium-heiko-maas-bringt-gegendemonstranten-wasser_id_7157612.html

[6] www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/rechtsradikale-wollen-ins-justizministerium-eindringen-15024588.html

[7] http://www.dw.com/de/rechtsextreme-wollten-in-bundesjustizministerium-eindringen/a-38907396

[8] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1051576.rechtsradikale-marschierten-vor-justizministerium-auf.html

[9] http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/polizeieinsatz-in-berlin-mitte-50-identitaere-scheitern-mit-besetzung-des-justizministeriums/19828826.html

 

 

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