20. Juli in Halle – Stellungnahme und Chronologie des Tages

Nachfolgend wollen wir einen Überblick zu den Rechtsbrüchen der Polizeiführung am 20. Juli geben und gleichzeitig ein eigenes, möglichst offenes und ehrliches Resümee zu den Ereignissen in Halle ziehen. Einen Eindruck vom Sommerfest gibt es bereits hier und hier. Wir möchten in diesem Text ein Ereignisprotokoll aus Sicht der Versammlungsleitung darbieten und zugleich im zweiten Teil auf eigene Fehler und externe Kritik eingehen. Dabei soll auch die Situation der Personen beleuchtet werden, die am 20. Juli am Hauptbahnhof eingetroffen sind.

Protokoll der Ereignisse am 20. Juli in Halle (Saale)

15. Juli 2019 – Kooperationsgespräch mit Polizei und Versammlungsbehörden – Hier findet die Einigung statt, dass der Hauptbahnhof Halle (Saale) und die Adam-Kuckhoff-Straße (AKS) als Sammelpunkte für die Demonstration zur Verfügung stehen. Bereits eine Woche zuvor bestand soweit Einigkeit darüber, dass der Hauptbahnhof als offiziell beworbener Treffpunkt nicht genutzt wird.Die gesammelten Teilnehmer sollen im Einvernehmen mit der Polizei vom Hauptbahnhof als Block oder mit der Straßenbahn zum Aufzugspunkt in die Adam-Kuckhoff-Straße zum Haus „Flamberg“ gebracht werden. Gleichzeitig wird zugesichert, dass über die Emil-Abderhalden-Straße ein dauerhafter Korridor für die An- und Abreise von Versammlungsteilnehmern der IB Demo offensteht.

20. Juli 2019 – 10:00 Uhr – Die Polizei riegelt die komplette Adam-Kuckhoff-Straße ab und lässt jedoch gleichzeitig die ersten Infostände der Gegendemonstranten aufbauen. Auch eine unangemeldete Versammlung in der Emil-Abderhalden-Straße formiert sich zur Blockade. Die Polizei sieht jedoch trotz der sich abzeichnenden Situation keinen Handlungsbedarf.

12:00 Uhr – Am Hauptbahnhof bricht die Polizei ihre ersten Zusagen. Die Teilnehmer, die in die Adam-Kuckhoff-Straße wollen, werden nicht in die Straßenbahnen gelassen und dürfen sich auch nicht mit anderen Möglichkeiten zum Hauptversammlungsplatz in die AKS bewegen.Nur wenige Minuten später spricht die Polizei völlig rechtswidrig Platzverweise für die gesamte Stadt Halle aus. Diese Platzverweise wurden schließlich auch ohne konkrete Begründung ausgesprochen.  Nebeninformation: Die Polizei wartete geduldig, bis eine Demonstration der Linken schließlich am Hauptbahnhof eintreffen und sich zur Blockade formieren konnte. Generell hat die Polizei den linken Demos im gesamten Stadtgebiet eine großzügige Bewegungsfreiheit eingeräumt, die von gewalttätigen Kräften auch für Wohnungseinbrüche, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und andere Straftaten genutzt wurde.

13:00 Uhr – In der Adam-Kuckhoff-Straße hat bereits das Sommerfest begonnen. Der Aufzug von dort sollte ab 12:00 Uhr starten – angemeldet wurde dies bis 22:00 Uhr. Nur eine Stunde nach dem eigentlichen offiziellen Beginn verkündet die Polizei dem Versammlungsleiter, dass die Sicherheitslage aktuell keinen Aufzug zulässt. Hinzu kommt die Nachfrage, ob man nicht generell auf den Aufzug verzichten möchte. Dies wurde verneint und Polizei und Versammlungsleitung in der AKS einigten sich auf eine Neubewertung um 15:00 Uhr.

13:45 Uhr – Zahlreiche Teilnehmer, die sich im Stadtgebiet von Halle aufhalten, werden nicht zur AKS durchgelassen. Nach wie vor werden willkürliche Platzverweise für das gesamte Stadtgebiet ausgesprochen, sofern sich die Leute als Teilnehmer des IB Sommerfestes zu erkennen geben. Die Polizeiführung sieht sich nicht in der Lage, mindestens einen Korridorzugang in die AKS zuzulassen. Blockaden werden als friedlich klassifiziert, obwohl bereits hier Steinwürfe, Nötigungen und weitere Straftaten aus den Blockaden heraus auf Videos und Fotos dokumentiert wurden. 

15:00 Uhr – Erneut wird die IB-Versammlungsleitung gefragt, ob sie freiwillig auf den Aufzug verzichten wollen. Angeblich sei die Sicherheitslage angespannt. Ein freiwilliger Verzicht würde zumindest die linken Blockadesituationen im gesamten Stadtgebiet für die Polizei erleichtern. Erneut wird dies von der IB-Versammlungsleitung verneint. Kurz darauf verfügt die Versammlungsbehörde Halle (Saale) eine Untersagung des Aufzuges für den gesamten Tag. Offensichtlich rechtswidrig, denn der Aufzug ist schließlich bis 22:00 Uhr angemeldet. Die Polizei ist nicht einmal mehr bemüht, eine neue Gefahreneinschätzung zu späterer Stunde zu veranlassen. Wie kann eine Polizeiführung sieben Stunden vor dem offiziellen Veranstaltungsende schon die komplette Untersagung veranlassen? 

18:30 Uhr – Noch immer werden keine Personen zum Haus gelassen, obwohl die Polizei nach Auflösung der blockierenden linken Versammlungen die Eröffnung eines Korridors zugelassen hat. Hierüber soll jedoch nur die Abreise von Versammlungsteilnehmern in der AKS erfolgen statt eines Zugangs. Bei den linken Versammlungen in unmittelbarer Nähe der AKS sind nicht mehr als 20 bis 30 Personen anwesend. Dennoch weigert sich die Polizei, den Zugang zu ermöglichen. Einzelne Versammlungsteilnehmer befinden sich nun schon über 6 Stunden im Stadtgebiet Halle (Saale) und dürfen nicht zu einer friedlichen und angemeldeten Versammlung in die AKS. Der Gegenprotest in unmittelbarer Nähe des Hauses hat sich weitgehend aufgelöst und ein Aufzug wäre jetzt noch problemlos möglich. Gleichzeitig verbreiten sich die ersten Meldungen zu den Ergebnissen des vermeintlich „friedlichen Protestes“ von links. Mindestens ein angezündetes Auto, 4 angegriffene Häuser und mindestens eine schwere Körperverletzung eines IB Aktivisten in Nähe des Hauptbahnhofes.

19:15 Uhr – Mithilfe eines Anwaltsteams wird noch einmal Bezug auf die mündliche Verfügung um 15:00 Uhr genommen. Die Versammlungsleitung weist noch einmal daraufhin, dass diese Verfügung ohne polizeilichen Notstand rechtswidrig gewesen ist. Versammlungsbehörde und Einsatzleitung verneinen einen polizeilichen Notstand und verweisen ausschließlich auf die Gefährdungslage. Wenn die Polizei jedoch ausreichend Einsatzkräfte vor Ort hat, kann auch keine Gefährdungslage mehr gegeben sein, zumal sich in der AKS ganz objektiv zeigt, dass der Gegenprotest weitgehend abreist. Die Polizei zeigt sich kaum willens, eine neue Einschätzung vorzunehmen, und erbittet sich eine halbe Stunde zur internen Besprechung. Erst zum jetzigen Zeitpunkt können auch langsam die letzten Teilnehmer zur AKS und dem Hausprojekt Flamberg durchkommen.

19:45 Uhr – Die Versammlungsbehörde teilt mit, dass die mündliche Verfügung zur Untersagung des Aufzuges bestehen bleibt und keine unmittelbaren Rechtsmittel dafür mehr zur Verfügung stehen. Zitat: „Die Gefährdungslage ist die gleiche wie um 15:00 Uhr und außerdem haben wir auch schon Polizeikräfte abreisen lassen.“ Warum man in einer nach wie vor gültigen Gefährdungslage Polizeikräfte abreisen lässt, bleibt wohl das Geheimnis der Polizeiführung.

Zum Hauptbahnhof:

Wir möchten natürlich an dieser Stelle auch die Kritik zur Situation am Hauptbahnhof für anreisende Versammlungsteilnehmer aufgreifen. Hier gab es von der Polizei eine Zusage, dass die Teilnehmer zur Hauptversammlung in die Adam-Kuckhoff-Straße gelangen können. Wir haben ab 10:00 Uhr 19 Ordner der IB zum Hauptbahnhof gebracht, um dort Versammlungsteilnehmer in Empfang zu nehmen und zur Adam-Kuckhoff-Straße zu lotsen. Hätte man möglicherweise auf den Hauptbahnhof vollends verzichten sollen, wie einige örtliche patriotische Akteure behaupten? Möglicherweise mag dies ein Fehler sein, den wir eingestehen müssen.

Wie in jeder anderen Stadt erfüllt ein Bahnhof jedoch einen geeigneten Zweck der Anreise für die Teilnehmer. Wir haben daher im Organisationsteam zwei Wochen vorher entschieden, den Aufzug von der AKS starten zu lassen, um eine Kesselsituation an einem beliebigen Ort in Halle (Saale) nicht zuzulassen. Mit dem Hausprojekt im Rücken hatten wir die Möglichkeit, Verpflegung und Unterhaltung zu gewährleisten.

Jede öffentliche Kommunikation an einem solchen Tag liest bekanntermaßen auch die politische Gegenseite. Bis zuletzt war auch unter den Gegendemonstranten nicht endgültig klar, ob wir vom Hauptbahnhof oder von der AKS starten werden. Wir wussten, dass die Linken versuchen werden, beide Standorte zu blockieren. Ein Shuttle mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre ebenso wie ein fußläufiger Weg zur AKS am Anfang problemlos möglich gewesen. Dies war auch die ursprüngliche Vereinbarung mit der Polizei. Es ist am Willen der Polizeiführung und der politischen Verantwortlichen gescheitert.

Wir haben für uns die Lehre gezogen, dass wir die AKS als alternativen Versammlungsplatz hätten kommunizieren müssen und zugleich mit viel mehr eigenen organisatorischen Kräften am Hauptbahnhof hätten präsent sein müssen. Alle, die sich hier im Stich gelassen gefühlt haben, bitten wir aufrichtig um Entschuldigung. Dies ist auch in unsere interne Kritik miteingeflossen.

Fazit: Der Rechtsstaat hat am 20. Juli in Halle (Saale) vollends kapituliert. Uns bleibt nur der Weg über die Verwaltungsgerichte: ein Verfahren, welches sich wohlgemerkt eine Zeit hinziehen kann. Ja, es wurden auch einige Fehler von der IB-Organisation gemacht. Dennoch war ein derartiger Rechtsbruch seitens der Polizeiführung und der Hallenser Stadtgesellschaft nicht in diesem Ausmaß erkennbar. Die Grundrechtsverletzungen unserer Versammlungsteilnehmer wurden billigend in Kauf genommen.

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